Im Juli stellte das Team der Mondix UG den neuen Fertigungsprototypen eines Orientierungsgerätes mit dem Namen „BAT EYE“ für Blinde und Sehbehinderte bei den beiden Selbsthilfegruppen für Blinde und Sehbehinderte vom Sozialverband VdK Kreisverband Konstanz vor.
Die Selbsthilfegruppen im Landkreis Konstanz treffen sich monatlich in Konstanz und Singen. Frau Johanna Abt ist die Leiterin der Gruppe in Singen und ist selbst sehr stark sehbehindert mit einem Sehvermögen unter 1%. Ihr fiel es ganz leicht sich mit ihrem Blindenstock und dem Gerät „BAT EYE“ loszulaufen und zu orientieren.
So deckt das Orientierungsgerät den Bereich ab Bauchnabel bis Stirnhöhe ab und verhindert somit auch Unfällen vorzubeugen.
Es begann 2013, wir, Marian Keller und Diplom-Biologin Lydia Keller nahmen an einem Kurs zum Fledermaus-Sachverständigen teil. So assoziieren doch viele diese Tiere mit diversen Horrorfilmen, finden wir diese durchaus putzig und interessant. Kleine Flugwesen mit Flügeln kaum dicker als ein Blatt Papier, fliegen durch die Nacht. Nur geleitet vom Echo ihrer Rufe navigieren sie durch den engen Wald und jagen mit ihren Flugkünsten Insekten, so klein, dass sie uns selbst am helllichten Tag mit bloßem Auge nicht direkt auffallen würden. So kam uns die Idee, dass man dieses Konzept auf blinde Menschen übertragen kann.
Das Sehen ist für uns Menschen ein sehr wichtiger Sinn mit dem wir unsere Umgebung schnell wahrnehmen können. Ungefähr 70% aller Sinneseindrücke wird durch unseren Sehapparat realisiert. Daher ist es eine große Einschränkung, wenn Sehbehinderung, oder gar Blindheit auftreten. Eine Sehbehinderung ist eine dauerhafte Beeinträchtigung des Sehens ab einem Sehvermögen von 30%. Ab einem Sehvermögen von 10% spricht man von einer wesentlichen Sehbehinderung, ab 5% von einer schweren Sehbehinderung und ab 2% von Blindheit. Es wird unterschieden zwischen korrigierbaren- und nicht korrigierbaren Sehbeeinträchtigungen. Die nicht korrigierbaren Seheinschränkungen können Angeboren oder durch Krankheiten oder Unfälle verursacht worden sein. Dies betrifft Störungen im Bereich des Sehnervs, der Netzhaut, der Linse, der Hornhaut, oder ähnliches. Es gibt z.B. folgende Erkrankungen, die zur Sehbehinderungen führen:
• Altersabhängige Makuladegeneration
• Glaukom
• Diabetische Retinopathie
• Katarakt
• Hornhauttrübungen
• Erblindung in der Kindheit
Es wird geschätzt, dass ca. 1 Millionen Menschen in Deutschland sehbehindert sind, davon ca. 165.000 Menschen blind. Rund 85% der sehbehinderten Menschen sind älter als 60 Jahre, 10% sind zwischen 30 und 60 Jahren und jeweils etwa 2,5% gehören den Altersgruppen 0-18 und 19-30 Jahre an. Nur rund 30% der blinden Menschen im erwerbsfähigen Alter, also rund 11.000 der ungefähr 33.000 blinden Menschen im Alter von 20 bis 60 Jahren haben einen Arbeitsplatz.
Mit „Bat Eye“ wollen wir blinden und stark sehbehinderten Menschen ein selbstständigeres Leben ermöglichen, indem sie sich besser in ihrer Umgebung orientieren können.
„Bat Eye“ ist eine Ergänzung zum normalen Langstock. Es hilft seinem blinden oder sehbehinderten Träger sich in der Umgebung zu orientieren, indem es ihm Informationen zum Abstand zu Hindernissen bis zu 7 Meter gibt. Der gemessene Hindernisabstand wird als binauraler Ton über einen Knochenschallkopfhörer ausgegeben. Der Blinde hört an der Stelle einen Ton, an welcher sich das nächste Objekt in der Erfassungszone befindet. Der Abstand zum nächsten Objekt wird mittels eines Dauertons in der Laufrichtung ausgegeben, welcher höher wird, je näher der Träger dem Hindernis kommt.
Durch diese Art der Informationsübermittlung an den Träger entwickelt dieser nach einer Eingewöhnungszeit ein räumliches Gefühl für seine Umgebung. Es ist möglich auf eine Distanz von bis zu sieben Metern zu erkennen, ob der aktuelle Laufweg frei ist.
Getragen wird „Bat Eye“ mittels eines Brustgurts, weil es dadurch nur der tatsächlichen Körperbewegung des Trägers mitgeführt wird. Wegen des weiten Öffnungswinkels des Ultraschall-Sensors werden somit Objekte von Bauch- bis Stirnhöhe erkannt.
Der Ultraschall-Distanzsensor arbeitet ganz ähnlich wie sich eine Fledermaus orientiert. Fledermäuse orientieren sich mittels der Ultraschall-Echoorientierung, womit diese unabhängig vom Sehen und vom Tageslicht sind. Sie orientieren sich nur mit Hilfe der von der Umwelt zurückgeworfenen Echos, welche sie selbst als Rufe ausstoßen. Mittels des Sensors kann „BAT EYE“ aus der Signallaufzeit mithilfe der Schallgeschwindigkeit den gemessenen Abstand eines Hindernisses berechnen. Es werden mehrere Messungen genommen, um Artefakte anschließend auszufiltern.
Vorteile:
Im Gegensatz zu anderen Geräten ist Bat Eye kein reiner Hinderniswarner. Der Hauptanwendungszweck besteht darin, dem Blinden seine Umgebung möglichst gut zu vermitteln, ohne, dass diese irgendwelche Vorbereitungen benötigt. Es vermittelt dem Blinden intuitiv seine Umgebung, hilft ihm den Weg in seiner Laufrichtung zu erkennen und warnt ihn damit auch vor nahenden Hindernissen. Dies hilft Unfälle zu vermeiden. Bei unseren Recherchen und Messeauftritten begegneten wir einigen Blinden, die von aus unserer Sicht vermeidbaren Unfällen berichteten. Darunter waren unter anderem schwere Kopfverletzungen durch überstehende Hindernisse und Stürze. Besonders bei älteren Menschen können Stürze irreversible Schäden hervorrufen.
Der Alltag wird mittels „BAT EYE“ für Blinde oder Sehbehinderte ebenfalls vereinfacht, da sie sich beim Laufen sicherer fühlen können. Sie sind somit unabhängiger von Fremdhilfe und werden selbstständiger.
Besonders für ältere Menschen kann dies ein großer Gewinn an Lebensqualität bedeuten, denn Stürze und Kopfverletzungen können irreversible Schäden hervorrufen. Die Teilnahme in der Gesellschaft kann dadurch auch mehr gewagt und Depressionen vermieden werden.
Mit unserem Orientierungsgerät „BAT EYE“ benötigt man kein zeit- und kostenaufwendiges Training. Nur kurze Eingewöhnung, leichte Handhabung, praktischer Tragekomfort.
Folgende Links enthalten weitere Quellen:
http://www.aerzteblatt.de/pdf/102/42/a2864.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Blindheit#/media/File:Erblindung1.gif
http://cms.augeninfo.de/fileadmin/PDF/0512aa_267.pdf
Bild:
Frau Johanna Abt, Leiterin der Selbsthilfegruppe Blinde und Sehbehinderte in Singen, läuft mit „BAT EYE“